Über Zen…

Formelles Zen-Training ist im Kern das Sitzen in Stille (Zazen), das ich unterichte und allen Interessierten, ob Patienten, Freunden, Bekannten, in unserem ‚Zendo‘ (= Meditationsraum) anbiete.

Im Rahmen meiner Praxistätigkeit und unter dem Gesichtspunkt von Gesundheitsfürsorge im Allgemeinen kann die meditative Praxis des Sitzen in Stille verstanden und eingeordnet werden als Gesundheitsprophylaxe. Die Haltung der Achtsamkeit oder des aufmerksamen Gegenwärtigseins mit den Sinnen, die wir beim Sitzen in Stille einnehmen, hat sehr viel zu tun mit zur-Ruhe-kommen, Beruhigung, Erholung, Entspannung. Dadurch können unsere psychischen und körperlichen Regulierungssysteme wieder besser funktionieren.

Das Stillwerden aber wird im Zen in einem viel tieferen Sinne verstanden. Es meint letztlich das Zürücknehmen unserer Ich-Aktivitäten in einer Haltung passiver Aktivität oder aktiver Passivität, einer wachen und aufmerksamen Offenheit für das, was Jetzt und Hier geschieht. Im selben Moment wird unser rationales und personales Ich-Bewusstsein in seiner Bedeutung relativiert und es stellt sich eine Art überpersönliches Identitätsbewusstsein ein, was im Zen die Erfahrung unserer Wesensnatur (satori) genannt wird.

Dies kann als ein spirituelles Erleben verstanden werden, das jedoch in keiner Weise voreingenommen ist von irgendwelchen Glaubensrichtungen oder Gottesvorstellungen.
Im Gegenteil, der offene Erfahrungsraum des Daseins im Hier und Jetzt soll nicht verstellt werden mit Wünschen, Vorstellungen und Erwartungen, die ja Ich-Aktivitäten sind.

Zen ist in einem weiteren Sinne mehr als nur die formelle Übung des Sitzen in Stille. Zen ist eine Geisteshaltung und Lebensart, in der wir aus unserer wahren Wesensnatur heraus präsent sind. Das Sitzen in Stille ist eine Übung für den Alltag und keineswegs abgehoben davon. Es geht auch nicht darum, etwas Abgehobenes zu erleben, sondern mit größerer Verantwortung, größerem Mitgefühl, größerer ‚Ehrfurcht vor dem Leben‘ (Albert Schweitzer) in jedem kleinen Moment des Lebens bewusst und achtsam da zu sein.

Die in der Stille-Erfahrung gewonnene Erkenntnis und das erlebte Mitgefühl mit allem Seienden kann unser Alltagserleben, unser Miteinander und den Maßstab für Lebensqualität beeinflussen und uns dankbarer und zufriedener machen.

Immer ist der wichtigste Augenblick der Gegenwärtige.
Immer ist der wichtigste Mensch der, der Dir gerade gegenübersteht.
Immer ist die wichtigste Tat die Liebe.

Meister Eckhart, 13. Jhdt.